Achtung, ich komme hier nicht ohne Spoiler aus, sorry!
Professor Zamorra 1336 & 1337, erst der Fluch, dann das Grauen von Tin Yarsen.
ich lese ja Zamorra nicht regelmäßig, schon gar nicht chronologisch, und bin auch jedesmal aufs Neue heillos überfordert mit den aktuellen Begebenheiten. dieser Zweiteiler von Michael Mühlehner hat aber mein Interesse geweckt, weil darin "meine" weiße Hexe Damona King eine Rolle spielt. ich habe dieses Projekt am Laufen, die gesamte DaKi-Serie, inkl. Gespenster-Krimis 129 Bände, von Anfang an zu lesen, und auf dem Zauberspiegel online meine Eindrücke zu schildern: https://www.zauberspiegel-online.de/index.php/phantastisches/gedrucktes-mainmenu-147/43149-damona-king-001-der-schwarze-engel
Tin Yarsen also... als alter Schüttelreimer muss ich natürlich sofort an Yann Tiersen https://youtu.be/znfYwABeSZ0 denken...
und gleich am Anfang verärgert mich der Autor mit diesem Satz. Damona hatte ein blaues Kleid gewählt, und "die Brüste zeichneten sich groß und schwer darunter ab." ja, das Hexlein ist derart wohlgestaltet, dass sie "zahlreiche Filmschönheiten in den Schatten stellt" (DaKi 1), und sie zeigt schon mal ihren "gutgewachsenen Prachtkörper" und "festen Brüste" nackt (DaKi 24). und doch sie ist eher zierlich gebaut. aber gut, das war 1979, vielleicht war sie ja in den 90ern beim Chirurgen, oder hat ihre Hexenkünste bei sich selbst eingesetzt...
es gibt keine große Einleitung, Barnabas sitzt mit Damona im Restaurant, sie hat ihn offenbar aus der Themse gerettet, auf der sie jetzt incognito auf einem Hausboot wohnt (sic transit gloria mundi). wer zur Hölle ist Barnabas, warum taucht die Hexe in einer Zamorra-Story auf, egal, rein ins Vergnügen.
der Autor hat eine überbordende Phantasie wenn es um die Schwefelklüfte und diversen höllischen Zwischen- und Vorwelten, sorry: Intermundien geht. ich lerne Drifter, Mineure bzw. Wühler ebenso kennen wie Finsterwölfe. es geht nämlich recht rasch zur Sache, Damona und Barnabas werden sofort in Kämpfe verwickelt.
die macht- und sexgeile Oberteufeline Stygia darf da nicht fehlen, der Autor erfreut uns mit einer orgiastischen Darbietung aus der Hölle, und scheut sich nicht, Blut & Beuschel beim Namen zu nennen. show, don't tell. das wird später wichtig, weil sich einer der unteren Höllenfürsten erdreistet, Stygia zur Kopulation aufzufordern - als Gegenleistung will er ihr ein Engelsherz bringen.
und damit sind die drei Hauptstränge gelegt. der notgeile Dämonenherzog nimmt die Dienste eines menschlichen aber teuflisch agierenden Handlangers in Anspruch, der schafft es, Damona dem Zugriff Barnabas zu entreißen und als Gefangene in seine Dienste zu zwingen. er soll das Herz des gestrandeten Engels beschaffen.
parallel spinnt Belial, Stygias rechtmäßiger Beischläfer, seine Fäden, er manipuliert Zamorra, und setzt ihn ebenfalls auf die Fährte des Engels, aber um ihn zu befreien.
all das kristallisiert sich allerdings nur Zug um Zug im Zweiteiler heraus.
letztlich finden sich die zurückgebliebenen Barnabas und Nicole mit Hilfe von Madame Zodiac und ihrem reisenden Haus, und hetzen den anderen hinterher.
now who da fuq is Zodiac? auch egal, ich akzeptiere das einfach mal. Herrn Weinlands Amulette-Zyklus habe ich noch nicht durch, so bin ich auch überrascht, dass Zammy jetzt ein neues Amulett vom Erzengel Michel hat, oh-kay, Spoiler!
egal. der andere Michel, der Autor Mühlehner, brennt ein Feuerwerk an Ideen ab, die goldene Stadt, das Dämonengold, der Engel und der Protodämon, das orientalische Kroppzeug - Dschinns, Ghuls und dämonische Bestien, vor allem die Ghuls haben es mir angetan. die Hintergrundgeschichte um Barnabas und dem irre gewordenen Kelley. die ganze magische Konstellation und ihre Auswirkungen auf den Landstrich.
atemlos folge ich Zamorra, wie er sich durch die Handlung kämpft, und immer kaputter wird dabei, wie Damona hilflos ihrem Schergen zu Willen sein muss. der Autor liefert uns eine actionreiche und dichte Geschichte, viele Szenen sind detailreich und bieten immer wieder Überraschungen.
Herrn Mühlehners Sprachstil würde ich als realistisch bezeichnen, also nicht künstlich gedrechselt, aber auch nicht simpel. seine Schilderungen sind so, dass ich mich in die Situationen und Orte versetzt fühle. der Autor macht auch keinen auf Erklärbär, alles ergibt sich, fügt sich, erklärt sich Stück um Stück. eben show, don't tell, das kann er sehr gut.
Zamorra darf lustiges sagen wie "parbleu", das verwenden heute nicht mal mehr 100jährige Franzosen, oder "bei Merlins hohlem Backenzahn", WK Giesa schmunzelt dazu auf Wolke 7.
es bleiben am Ende des ersten Teils noch viele Fragen offen, so bleibt es spannend für den zweiten. mein anfänglicher Ärger ist sehr rasch verflogen, ich freue mich auf die Fortsetzung, die ich auch gleich in Angriff nehme. 5 Punkte!