Ein rasanter Roman, in dem die Voodoo-Anhänger und die Schwarze Familie aneinander geraten, mit vielen sehr grausigen Szenen durchsetzt.* Wie manchmal bei Earl Warren gibt es auch hier diverse Albern- und Schludrigkeiten, die mitunter doch etwas nerven: Raffael als wandelnder Gastank (don't try this at home!), der kurz davor steht, sich in die Lüfte zu erheben oder Coco und Amalfi, die zeitweise miteinander Französisch sprechen, nur weil sie sich auf Haiti befinden; vorher war Englisch die verwendete Sprache, und das blonde Pinup-Girl Jayne Marquardt mit ihrem lächerlichen Gehabe.
Wenngleich man auch die Fortsetzung vom "Spinnenküsser" gerne von Kurt Luif verfasst gesehen hätte, hat Walter Appel einen nahezu gleichwertigen zweiten Teil verfasst, der wegen mehr Action vielleicht auch dieses Klientel der Leserschaft befrieden konnte. Man sieht es gerade in der Spätphase der Erstauflage, als mit Band 132 nur noch Doppelnummern der Autoren erschienen sind und man so das "Ein-Heft-Korsett" durchbrechen konnte, das jetzt homogenere Romane ermöglicht hat.
*Wie viele es davon von der Erstauflage bei Pabel in das vorliegende Bastei-Heft geschafft haben, wird sich am Erscheinungstag zeigen.
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...und wendet in der nächtlichen Einsamkeit den Blick von den langen Fenstern der stillen Kirche weg und fürchtet sich, ihrem Schillern nachzuforschen, ob es wohl vom Mondlicht niederfalle.
Jean Paul: Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei.
Ein weiterer Lexikon-Roman von Earl Warren. Er beginnt auch direkt mit einer ausführlich beschriebenen Voodoo-Zeremonie, wo jede Gottheit einen kurzen Auftritt hat. Bis sie von Klingor Alkahest gestört wird, einem Abgesandten von Hekate. Ist der mit Demur Alkahest verwandt oder heißen Dämonen einfach oft so? Der Voodoo-Priester Papaloa Boumba will sich Hekate nicht unterwerfen. Mehr noch, er schwört Rache für die Unterbrechung seiner Zeremonie. “ Ein furchtbares Heer wird die Macht der Schwarzen Familie auf Haiti ein für alle Mal brechen.“
Coco befindet sich nach ihrem letzten Abenteuer immer noch hier, weil sie ein Bauchgefühl hat. Gerade marschiert sie durch die Stände des Magiekongresses. Ständig stand Coco im Kreuzfeuer bewundernder Männerblicke. Sie ist halt wie Dorian ein geiles Stück Lustfleisch. Plötzlich schlägt mitten im Kongress die Meute von Papaloa Boumba zu. War es wirklich Voodoo-Zauber? Steckte Papaloa Boumba dahinter? Wenn ja, was wollte er mit dieser Demonstration, die vier harmlosen Varietékünstlern das Leben gekostet hatte, beweisen. Eben, die Sterblichen können am wenigsten dafür, dass Hekate sich mit ihm angelegt hat. Coco trifft dann noch zufällig auf Raffael Amalfi, einem alten Bekannten aus einem früheren Roman des Autors. Auch er wird vom Voodoo attackiert, aber rechtzeitig von Coco gerettet. Die Hexe unterhält sich mit ihm und seiner Zigeunersippe. Noch mehr alte Klischees, toll. Interessant, was ihnen im letzten Jahr alles wiederfahren ist. Aber können wir bitte wieder zum eigentlichen Abenteuer der Woche kommen?
Mit Raffael begibt Coco sich später zu Olivaro, der weiß vielleicht mehr. Leider scheint der Dämon schon abgereist zu sein. Na, wenigstens hat sie in dem Zigeuneranführer einen Verbündeten.
Papaloa Boumbas Voodookult zelebriert in der Nacht einen Teilsieg. Über ein paar arme sterbliche Hanseln, herzlichen Glückwunsch. Man ruft den Kriegsgott Ogun Badagri an. Gibt es beim Dämonenkiller Götter? Der ist doch dann eher selber ein hohes Mitglied der Dämonen. Als Ogun Badagri dem Kreuzzug seinen Segen gegeben hat, beschwört man noch den Totengott, damit er die Zombies aus ihren Gräbern holt. Und weitere Magie wird entfesselt. Tosende Stürme, Erdrisse aus denen Würmer kriechen, Blutregen, Schwärme riesiger Monsterheuschrecken. Was für Earl Warren halt cool klingt. Aber am wichtigsten sind die verwesenden Untoten.
Hekates Verbündete auf Haiti können auch nichts dagegen unternehmen. “Unsere vereinte Kraft hat es nicht vermocht, den Voodoo-Zauber zu brechen.“ Aber man hat einen Plan B. “Wir werden heute genug Menschen in unseren Bann bringen, um gegen das Zombieheer antreten zu können. Mit Fackeln und Feuerbränden sollen unsere Kreaturen gegen die Untoten vorgehen. Dazu werden wir uns noch ein paar Überraschungen ausdenken.“ „Das wird weltweites Aufsehen erregen“, wandte der Japaner Matsuo Sayaku ein. „Port-au-Prince wird verwüstet werden.“ „Na und? Papaloa Boumba hat zuerst ein Heer aufgestellt. Wir bekämpfen ihn nur mit seinen eigenen Waffen. Selbst Hekate wird das billigen.“ Mhh, ist nicht eine der goldenen Regeln der Schwarzen Familie, ja keine Aufmerksamkeit zu erregen? Hat Olivaro nicht damals mit seinem Meerungeheuer ordentlich eins auf den Deckel bekommen? Aber ok, bei Hekate lassen die Autoren plötzlich eh vieles durchgehen, was bei Olivaro nicht geklappt hätte.
Während sich Zombies und Menschen bekämpfen sollen, verlassen die Dämonen fluchtartig Haiti. Was für Coco natürlich keine Option ist, im Gegenteil. Sie muss wieder einmal die Heldin spielen.
Indes erheben sich die ersten Toten. Und der Voodoozauber ist derart stark, dass von den Zombies getötete Menschen selbst sofort als Wiedergänger aktiv werden. Wow, da haben die manipulierten Bewohner eigentlich keine Chance. Zumal Coco sich nicht um Papaloa Boumba kümmern möchte, sondern um die andere Fraktion. Coco schwebte ein bestimmter Plan vor, wie sie Klingor Alkahest töten konnte. Sie war keine Killerin, aber ehe sie zuließ, dass unzählige unschuldige Menschen einen grauenhaften Tod fanden, wollte sie den Dämon vernichten. Vorerst folgen aber kurze Absätze, in denen Earl Warren die Auferstehung verschiedener Zombies beschreibt. Solide geschrieben, aber den Platz könnte man auch nutzen, um die Handlung weiter auszubauen. Diese vielen eigentlich unwichtigen Flair-Beschreibungen sind hier durchgehend ein Ding. Wenn der eigentliche Plot darunter leidet, mag ich das nicht. Oder sie müssen extrem gut geschrieben sein.
Zu Cocos ausgefallenem Plan, Raffael Amalfi ist ein Alles-Schlucker. Also kippt er sich Cocos Waffen gegen die Dämonen rein. Theriak-Sud, Dämonenbanner, weißmagische Amulette, einen Silberdolch. Und dann kotzt er das wieder aus, ohne sich dabei selbst aufzuschlitzen? Oder soll das später die andere Richtung raus? Ein typischer Warren. Beim Magiekongress gibt es unterdessen eine Abschlussveranstaltung, obwohl in Haiti gerade der Ausnahmezustand herrscht. Logisch. Natürlich schlagen die Zombies auch hier zu. Papaloa Boumba war zornig, weil ihm die Dämonen entkommen waren – von Klingor Alkahest und seiner kleinen Schar abgesehen –, und Unschuldige mussten es büßen. Stimmt halt wirklich. Hekate wird das am Arsch vorbei gehen und der Voodoo-Priester bringt damit das Volk gegen sich auf. Dämliche Aktion.
Coco und Raffael schlagen sich abenteuerlich zu Klingor Alkahest durch und geben dort vor, ihn gegen Papaloa Boumba unterstützen zu wollen. Ihre Waffen müssen sie abgeben, aber in Raffaels Magen befindet sich genug Kram. Hekates Dämonen haben andere Pläne und wollen Coco ihrem Willen unterwerfen. Gleich musste sie der Macht Klingor Alkahests und seiner Verbündeten unterliegen. Da spie Raffael Amalfi eine Theriak-Fontäne aus, mit der er erst Klingor Alkahest und dann die anderen Dämonen besprühte. Ok, das ist vielleicht noch halbwegs glaubhaft. Wenn er genug Druck dahinter hat, um wortwörtlich im Strahl zu kotzen. Dass der Zigeuner dann mal eben fix den Dolch und die Amulette „ausspeit“ ist aber wirklich Blödsinn. Coco und Raffeal räumen unter den überraschten Dämonen auf. Da rücken pünktlich die Zombies an. “Klingor Alkahest ist tot!“, rief Coco aus Leibeskräften. „Hört ihr mich, ihr Anhänger des Voodoo? Die Dämonen sind geschlagen. Haltet ein mit dem sinnlosen Morden!“ Wäre eine Idee, aber der Kult ist im Blutrausch und will lieber weiter Zivilisten abschlachten. Warum auch immer, vielleicht weil noch Seiten offen sind. Allerdings nur wenige, es muss eine schnelle Lösung her. Magie! Das ist beim Dämonenkiller die Erklärung für alles. Coco erkannte ihre Chance, durch den Mund des Zombies zu Papaloa Boumba zu sprechen. Wenn Boumba den Zombie kontrollieren konnte, musste sie es auch können. Also übernimmt sie den Untoten und gibt sich für Hekate aus, um ein Duell mit ihm auszumachen. Und solange halten die Zombies inne? Am Treffpunkt geht es auch simpel weiter. Coco hypnotisiert Papaloa Boumba einfach und befiehlt ihm, dass er und seine Zombies sich wie Lemminge von einer Klippe ins Meer stürzen. Ende.
Was für ein schwaches Finale, aber es musste ja schnell gehen. Auch sonst ist die Handlung nichts besonderes, ein typischer mittelmäßiger Earl Waren. Mit vielen klischeehaften Beschreibungen. Von der Voodoo-Szene, den Zaubertricks auf dem Magiekongress, der Zigeunersippe. Wie man es von dem Autor gewohnt ist.
Earl Warrens Humor möchte ich dieses mal erwähnen. Der ist einfach nichts für mich. Zum Beispiel wie Coco einer eifersüchtigen Zigeunerin einflüstert, sie sei ein Huhn und diese sich dann so verhält. Oder wo ein Zombie aus dem Sarg steigt und man erstmal mit ihm schimpft, er soll sich wieder hinlegen, schließlich sei er tot und das wäre kein gutes Benehmen.
Mit Logiklöchern und Widersprüchen möchte ich gar nicht erst anfangen. Wenn man nicht so genau hinschaut und einige unnötige Passagen schnell wegliest, bekommt man aber ein nettes solides Zombiehorden-Abenteuer.
MITTELmäßige (5 von 10 Freaks)
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Aktuelle Lesereihenfolge:
1. Dämonenkiller
2. John Sinclair
3. Professor Zamorra
Manchmal denke ich, dass das gute Gleichgewicht einen zu hohen Anspruch an die damalige Gruselliteratur stellt (und in Ausnahmefällen auch die gegenwärtige )
Ich habe ein top vergeben, da ich es für mich ein eben toller Roman war, der mich wahnsinnig gut unterhalten hat. Natürlich hat der Roman einige Ungereimtheiten, aber im Großen und Ganzen war er für mich perfekt.
Die Gratwanderung zwischen Humor und Klamauk fand ich gelungen, ebenso wie den Schluss, der mich wie meistens in der Serie (als jahrzehntelanger JS-Leser) überrascht hat.
Ein phänomenales Gruselabenteuer mit Zombiehorden, die man sich cineastisch vorstellen konnte.
Ich war begeistert.
Kommen jetzt mal wieder Romane mit Dorian?
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God is the name of the cold, dead silence that answers the prayer of a child being molested.
Ich denke, gerade beim DK kann ich diese Skala ansetzen. Es ist ja auch öfter mal eine gute Wertung dabei.
Wenn ich da an Tony Ballard zum Beispiel denke. Sorry, aber das ist kein Vergleich.
Ich gebe nur zu bedenken, dass ich aus Zeitgründen lieber (die modernen) Zamorra oder Maddrax weglasse, aber den DK unbedingt weiter lesen will.
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